Essays

Schrift gießen für Anfänger: die Monotype-Maschinen bei der Buchdruckerei Greno

Der Vorschlag, wir könnten doch bei ihm eine eigene Schrift selbst gießen, kam von Heiner Buser bei unserem ersten Besuch in Nördlingen. Heiner hatte Jahre zuvor die Buchdruckerei Greno übernommen und führte sie weiter.

Neben den mächtigen Schnellpressen hatte er auch eine komplette Monotype-Gießanlage mit Taster stehen. Mit diesen konnten die kleineren, aber auch die großen Schriftgrade gegossen werden. Außerdem besaß er eine große Auswahl an Gießmatrizen. Ich musste nicht lange überlegen und entschied mich für die Baskerville. 

Mein Mann Günter war für derlei mechanische Wunderwerke ohnehin augenblicklich zu begeistern, und am Ende war er es, der das Gießen übernahm und ich habe die frischen, blitzblanken Lettern in mitgebrachte Kästen eingelegt. In den Jahren zwischen 2000 und 2003 würden wir Urlaub und verlängerte Wochenenden in Nördlingen verbringen und Schriften gießen. Neben der Baskerville gossen wir auch die Castellar in zwei Schriftgraden und die von Imre Reiner entworfene Mercurius, eine Schreibschrift.

Für eines der langen Wochenenden hatten wir eine kleine Ferienwohnung angemietet. Vermieterin war eine Frau, die nicht nur selbst in dem Haus wohnte, auch ihre alte, recht demente Mutter lebte dort. Wir bekamen Instruktionen über die strikt einzuhaltenden Regeln, Türen und Gartentore stets nicht nur zu zu machen, sondern auch abzuschließen, damit die alte Dame nicht auf Wanderschaft gehen konnte. Sie hatte sich in der Vergangenheit bei derlei Ausflügen schon hoffnungslos verlaufen.

Das Gießen von Bleischriften auf Monotype-Anlagen ist ein ganz besonderes Abenteuer. Es waren die ersten Schriftgieß-Maschinen, die entwickelt wurden. Sie gießen einzelne (mono) Lettern. Später kamen die Linotype-Gießmaschinen auf, sie gießen ganze Zeilen (line ist englisch und heißt Zeile). Beim Monotype-Verfahren wird der Text über den Taster eingetippt. Dabei entsteht ein Lochstreifen.

Dieser Lochstreifen wird dann in die Gießmaschine eingelegt, wo bereits eine Gießmatritze montiert wurde. Entsprechend des Lochstreifens gießt dann die Gießmaschine die Textblocks für ein Buch Seite für Seite. Auf diese Art kann nur immer in einer Schriftgröße gegossen werden. Abweichende Schriftgrade oder Schriftschnitte, z. B. kursive oder halbfette Passagen, müssen nachträglich im Handsatz ergänzt werden. Dennoch war diese Art zu setzen eine große Erleichterung und Beschleunigung, wenn große Textmengen benötigt wurden, wie zum Beispiel bei Büchern der Belletristik. War in der Gießmaschine alles vorbereitet und das Blei im Schmelztiegel flüssig, dann konnte es losgehen. Der Lärm entspricht ungefähr dem Rattern von wenigstens 50 alten, elektrischen Pfaff-Nähmaschinen, die gleichzeitig im Zickzackstich nähen. 

Angetrieben wird die Anlage von einem Kompressor, der seinen eigenen Lärmpegel erzeugt (und deshalb auch in einem Nebenraum steht). Interessant wird die Sache dann, wenn es zu einem Fehlschuss kommt. Gemäß dem Lochstreifen wird die Gießmatritze in der Maschine positioniert, das heißt die Matritze schießt ständig hin und her und quer und längs. Zeitlich genau koordiniert muss nun eine gewisse Menge flüssiges Schriftblei genau in die Matritze geschossen werden, um eine Letter zu produzieren.

Wenn die Matritze und die Portion Blei sich nur ein wenig verpassen, dann passiert folgendes: Das flüssige Schriftblei wird irgendwo in die Anlage gespritzt, kühlt dort ab und wird an Ort und Stelle fest. Damit ist die gesamte Anlage erst einmal blockiert. Dann muss die Gießmaschine abgeschaltet, auseinandergenommen und gereinigt werden. Danach wird alles wieder säuberlich zusammengesetzt, und schon kann das Gießen weitergehen. Halbe Nächte können vergehen, bis die Anlage dann wieder ordnungsgemäß läuft.

Einblattdruck als Beitrag zu „40 Years On“ der Oxford Guild of Printers im Jahr 2022

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