Allgemein

Der gemeine Setzfehler

Auch wenn wir es gewohnt sind, alles, was nicht korrekt gedruckt erscheint, als Druckfehler zu bezeichnen: ganz so einfach ist es nicht. Im Buchdruck gibt es grundsätzlich zwei Sorten von Fehlern: den Druckfehler, der dem Drucker unterlaufen ist, und den Setzfehler, den der Schriftsetzer zu verantworten hat.
Die beiden Gewerke haben seinerzeit Wert darauf gelegt, dass dieser kleine aber feine Unterschied Beachtung fand.

In Walter Mehnerts 1961 erschienenem Buch „Die Gehilfenprüfung als Schriftsetzer“ steht: „Die Leistungen im glatten Satz werden nach der auf Seite 293 wiedergegebenen Tabelle entsprechend der erreichten Buchstabenmenge und der festgestellten Fehlerzahl bewertet.“
Grundlage der Tabelle ist die Buchstabenzahl, die innerhalb 1 Stunde Satzzeit mit 10-Punkt Antiqua erreicht wurde. In der Gehilfenprüfung wurde die Note zwei erteilt für eine Buchstabenzahl zwischen 1451 bis 1500 bei einer Fehlerzahl von maximal 7. Dabei war als Fehler zu werten jeder zu korrigierende Buchstabe sowie jedes zu korrigierende Satzzeichen. Eine Hochzeit, also doppelt gesetzte Wörter, Satzteile oder ganze Sätze, und eine Leiche, also ausgelassene Wörter, Satzteile oder ganze Sätze, zählten als 3 Fehler. Nicht als Fehler gewertet wurden defekte Buchstaben und Buchstaben aus anderer Schrift (Zwiebelfische).

Bei einer Buchstabenzahl über 1500 konnte sogar noch bei bis zu 3 Fehlern die Note 1 erreicht werden.
Man war sich also schon damals bewusst, dass fehlerfreies Arbeiten zwar ein ausgesprochen erstrebenswertes Ziel ist, das allerdings realistischerweise auch von guten Arbeitskräften nicht immer vollumfänglich erreicht wird.

Kleinbuchstaben-Ligaturen bei der Schrift Rhapsodie

Hier nun ein Beispiel für einen ganz besonderen Setzfehler, der beim Setzen der Schrift Rhapsodie passiert ist. Diese Schrift ist in mancher Hinsicht speziell. Sie wurde entworfen von Ilse Schüle im Jahr 1951 für die Schriftgießerei Ludwig & Mayer in Frankfurt a. Main. Manche Typographen bezeichnen die Schrift als hybride Schrift. Sie verbindet Formen aus den Antiquaschriften mit solchen aus den gebrochenen Schriften. In den meisten Schriften, gerade auch bei den gebrochenen, sind Ligaturen zwischen f und i sowie dem Lang-s und i vorhanden. Nicht so bei der Rhapsodie, sie kommt ohne diese Zeichen aus.

f-Ligaturen bei der Schrift Rhapsodie

Ob die Person, die den Text für diese Tee-Spitztüte gesetzt hat, ein Scherzbold war, lässt sich freilich nicht mehr herausfinden. Am Ende hatte sich lediglich das f zu den Lang-s verirrt – beim Ablegen. Das ist, was im Handsatz üblicherweise als „Fisch“ bezeichnet wurde: eine Letter, die zur betreffenden Schrift gehört, aber an der falschen Stelle im Schriftkasten abgelegt ist. Ein Schelm, der Böses dabei denkt …

Dieser Tee ist etwas fischig geworden.
Hier wurde ohne Fisch (sic!) gesetzt.

Das Buch zum Beitrag:
Walter Mehnert: „Die Gehilfenprüfung als Schriftsetzer“ – Praktische Arbeiten, Fachkunde in Fragen und Antworten, Fachrechnen in Aufgaben und Lösungen. Blersch Verlag. Stuttgart 1961 (erste Auflage im Jahr 1947)

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